Warum wenden Sie sich ausdrücklich an Frauen?
„Wir hatten vor unserer Kooperation die Erfahrung gemacht, dass Frauen mit Migrations- oder Fluchterfahrung einen schweren Stand haben“, erzählt Frank Neubert. „Wenn wir beispielsweise Betriebsbesichtigungen für Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten organisiert haben, sind dazu größtenteils Männer gekommen. In Kooperation mit der Kontaktstelle war deshalb unser Ziel, auch die Frauen zu erreichen.“
„Unser Kontakt zu den Frauen kommt häufig über eine Art Fürsprecherin zustande,“ erklärt Kontaktstellenleiterin Annette Rosenkranz. „Eine Frau, die selber geflüchtet ist und die wir vor Jahren in einen Beruf begleitet haben – die uns und unserer Arbeit also vertraut – empfiehlt uns weiter. Manchmal werden wir auch in Sprachkurse oder andere Kurse gerufen, wir haben außerdem gute Kontakte zu verschiedenen Frauengruppen. Frauen können unglaublich voneinander profitieren!“
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit?
Die Kooperierenden wollen niederschwellige Begegnungen ohne Berührungsängste ermöglichen. „Thema bei den Frauen sind zuallererst Sprachkurse, aber auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, berichtet Marcus Weichl, Integrationsmanager für Sontheim und Niederstotzingen.
„Wir ermutigen die Frauen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, einen Job zu finden. Gemeinsam mit der Kontaktstelle suchen wir auch nach Arbeitsplätzen vor Ort. Vor kurzem hat die Stadt Reinigungskräfte gesucht. Ich habe zusammen mit der Kontaktstellen-Mitarbeiterin und zwei interessierten Frauen Bewerbungsunterlagen erstellt und Trainings für Vorstellungsgespräche durchgeführt. Immer wieder erklären wir dabei, wie der deutsche Arbeitsmarkt funktioniert. Viele Frauen wollen arbeiten, zum Teil, weil es eine ökonomische Notwendigkeit für sie ist, aber der Wunsch nach Selbstbestimmung spielt ebenfalls eine Rolle. Meine Aufgabe als Integrationsmanager ist es ja auch, Selbstständigkeit zu fördern.
Ich bin mit 23 Familien in Niederstotzingen und Sontheim in Kontakt. Darunter sind auch Integrationsverweigerer, aber das ist die Minderzahl. Wir bemerken dann auch, wie die Frauen selbstbewusster werden, sich zutrauen, ihre Prüfung zum B2 Sprachniveau zu schaffen oder eine Ausbildung zu beginnen. Unsere Kooperation mit der Kontaktstelle läuft wirklich sehr gut.“
„Unsere Arbeit braucht einen langen Atem und wir müssen auf vielen Ebenen Vertrauen schaffen. Denn auch von unseren Kooperationspartnern möchte ich ja nicht als Konkurrenz wahrgenommen werden, sondern als Ergänzung“, erklärt Annette Rosenkranz.
„Dazu müssen wir immer wieder Gespräche führen und die Zusammenarbeit bei Bedarf neu abstimmen.“
Und das klappt, bestätigt der Bildungskoordinator für Neuzugewanderte Frank Neubert: „Im zweiten Jahr ging es uns vor allem darum, die Eigenverantwortung der Teilnehmerinnen zu stärken und ihre Zuverlässigkeit zu prüfen. Dazu haben wir beispielsweise gemeinsam eine Ausbildungsmesse besucht und dabei geschaut, wie verbindlich die Teilnehmerinnen sind.“
Wie lief die Arbeit in diesem besonderen Jahr?
„In diesem Jahr der Pandemie war der Kontakt sehr schwierig. Viele Frauen waren plötzlich wie von der Bildfläche verschwunden“, bedauert Kontaktstellenleiterin Annette Rosenkranz. „Die Sprachbarrieren sind für viele zu hoch in der digitalen Kommunikation. Das hat unsere Arbeit und Anstrengungen sehr zurückgeworfen.“
„In 2020 konnten ja auch die Gesprächscafés und Besichtigungen größtenteils nicht stattfinden. Aber die Kontaktstelle bietet einmal im Monat Beratungsgespräche vor Ort an, die ich mit interessierten Frauen organisiere. So konnten wir wenigstens teilweise Kontakt halten“, ergänzt Marcus Weichl.
Kooperieren Sie auch mit der Wirtschaft?
„Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen ist unkompliziert“, erklärt der Frank Neubert. „Wir haben da fast durchweg positive Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich sind die Unternehmerinnen und Unternehmer den Teilnehmerinnen gegenüber sehr offen und machen Einiges möglich.
Die Gastronomie, der Pflegebereich und die Gebäudereinigung sind bei Migrantinnen und geflüchteten Frauen beliebte Arbeitsfelder. Ebenso der Erzieherinnenberuf. Da gibt es allerdings einige Zugangsbarrieren, wie zum Beispiel die Sprache, die schulische Ausbildung oder das Kopftuch. Viele Frauen haben kleine Kinder, da ist eine mehrjährige Ausbildung oft schwierig. Und: wir haben von funktionalen Analphabetinnen bis hin zu Akademikerinnen alles dabei, die Vorbildungen unserer Teilnehmerinnen sind also sehr heterogen.“
Marcus Weichl bestätigt: „In unsere Gemeinde sind eher Frauen mit einem niedrigeren Bildungsstand gekommen. Nicht zuletzt deshalb organisieren wir Betriebsbesuche, damit sie sich orientieren können, ob es für sie etwas wäre, beispielsweise als Helferin im Altenheim zu arbeiten oder als Alltagsbegleiterin.“ Annette Rosenkranz ergänzt: „Viele geflüchtete Frauen sind mit Fragen beschäftigt wie: Ich will mich beruflich weiterentwickeln, aber kann ich meine Kinder ‚alleine‘ lassen, sie einer Kita anvertrauen? Die Ausbildung, die ich in meinem Herkunftsland gemacht habe, wird hier nicht anerkannt – soll ich eine neue Ausbildung beginnen? Frauen und Männer haben da sehr unterschiedliche Möglichkeiten und gehen meist selbstverständlich davon aus, dass sich der Mann auf jeden Fall in den hiesigen Arbeitsmarkt integrieren kann und muss. Für die Frauen gibt es dieses Selbstverständnis nicht. Aus all diesen Gründen erreicht man eine gelungene Integration nicht mit ein paar Maßnahmen – sie erfordert Geduld, Zeit und Netzwerkarbeit, Netzwerkarbeit, Netzwerkarbeit!“
Das können auch die Mitarbeiterin des Freundeskreis Asyl und Juliet Egemole bestätigen:
„Deutschkurse sind der Anfang des Weges, aber schon die Teilnahme ist nicht so einfach, denn je nach Status im Asylverfahren stehen den Menschen nur ganz bestimmte Kurse zur Verfügung.“ Weil Juliet Egemoles Verfahren noch nicht beendet war, konnte sie nicht an den sogenannten Integrationskursen teilnehmen und damit auch nicht genügend Deutsch für eine Ausbildung lernen.
Führen die vielen Anstrengungen zum Ziel?
Die 41-Jährige ließ sich aber nicht entmutigen, sie besuchte in den darauffolgenden Jahren die drei ihr angebotenen Kurz-Sprachkurse, nahm an unterschiedlichen Veranstaltungen der Kontaktstelle Frau und Beruf teil, absolvierte ein Praktikum in einer Hotelküche und ein weiteres in der Kantine eines Altenheims. Außerdem arbeitet Juliet Egemole seit drei Jahren auf Minijobbasis als Reinigungskraft in zwei Kirchen. Was sie dabei die ganze Zeit beschäftigt: Sie möchte ihr Deutsch weiter verbessern, denn die Sprache stellt die gebürtige Nigerianerin immer noch vor große Herausforderungen und zur Verwirklichung ihres Ziels – eine Ausbildung in der Altenpflege – sind ihre Deutschkenntnisse noch zu schlecht. Gerade hat sie von einer Möglichkeit erfahren, eine solche Ausbildung mit einem Deutschkurs zu kombinieren. Darum wird sie sich nun gemeinsam mit der Mitarbeiterin des Freundeskreises Asyl kümmern.
Vor allem aber sorgt sich Juliet Egemole um die Betreuung ihrer siebenjährigen Tochter.
Sie hat zwar eine Zusage, dass Nora den Hort ihrer Schule besuchen kann, doch bisher konnte ihre Gruppe noch nicht starten. Trotzdem ist Juliet Egemole froh, dass sie seit acht Monaten eine Stelle als Küchenhilfe hat, trotz der Corona-Pandemie eingestellt wurde, auch wenn sie teilweise in Kurzarbeit war. Dass das alles geklappt hat, ist der Verdienst vieler verschiedener Menschen – alle tragen ein Stück dazu bei, Juliet Egemole und anderen geflüchteten Frauen die Integration zu ermöglichen und (nur) gemeinsam gelingt das auch!